Löwenstein Medical präsentierte auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie 2014 LEOSound, das innovative System zur digitalen Atemgeräuschanalyse. Über die Chancen und Möglichkeiten dieser neuen diagnostischen Methode sprechen wir mit Herrn Professor Ulrich Köhler aus der Universitätsklinik Gießen-Marburg, einem der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der medizinischen Biosignalanalyse.
Was muss man sich unter dem Begriff „Lung-Sound-Monitoring“ vorstellen?
Das Stethoskop des Arztes ist nahezu jedem Patienten bekannt. Der Patient verbindet damit fast unwillkürlich den Aspekt des „Abhörens der Lunge oder des Herzens“. Lungen-Sound-Monitoring bedeutet letztlich nichts anderes als dauerhaftes Abhören der Lunge mittels eines Stethoskops. Die Lungengeräusche werden aufgezeichnet und dann automatisch analysiert.
Warum benötigt man ein solches Verfahren?
Erstmals haben wir Ärzte ein Verfahren an der Hand, das uns über mehrere Stunden, beispielsweise über die gesamte Schlafphase hinweg, Informationen über die Atmung vermittelt. Denken Sie an das Langzeit-EKG, die Langzeitblutdruck- oder die Langzeitsauerstoffmessung. Punktmessungen wie der „Weisskittelblutdruckwert“ sind für uns Mediziner unbefriedigend und führen zu Fehleinschätzungen. Wir wollen ja bei lung-sound gerade wissen, wann, wo und wie lange bestimmte Geräuschphänomene zu hören sind. Da der Nachtschlaf eine sehr instabile Phase für die Atemwege darstellt, macht die Anwendung von LEOSound insbesondere bei asthmatischen Patienten während des Schlafs einen besonderen Sinn. Die bislang praktizierte subjektive Beurteilung von Husten- und Wheezingereignissen belegt eine hohe Fehlerquote, da zwischen Patientenangaben und akustischen Registrierbefunden erhebliche Unterschiede nachgewiesen werden konnten. Die Langzeitregistrierung von Lungengeräuschen soll und kann jedoch keine Alternative zur klassischen Lungenfunktion sein, sie soll sie vielmehr um eine neue Qualität in der Diagnostik ergänzen.
Wie kann der Arzt aus einer Langzeitregistrierung von vielen Stunden Dauer die auffälligen Passagen mit vertretbarem Zeitaufwand herausfiltern?
Wir haben in die Software bewusst ein Auswerteprogramm integriert, dass es dem Auswerter ermöglicht, jederzeit schnell zu bestimmten auffälligen Messereignissen zu gelangen. So kann er, über die Aufnahmezeit verteilt, die Episoden mit Husten und Wheezing auf dem Übersichtsdiagramm einfach erkennen. Möchte er eine Feinanalyse vornehmen, so kann er sich durch einfaches Anklicken der Segmente in der Übersicht, das konkrete Messereignis bildlich anschauen oder auch die akustischen Signale abhören und überprüfen. Grundsätzlich gilt, wie für jedes andere medizintechnische Messverfahren auch: Artefakte müssen sicher erkannt und von der Analyse ausgeschlossen werden können.
Wurden die automatischen Algorithmen wissenschaftlich validiert?
Ja, die Algorithmen zur Erkennung von Husten und Wheezing wurden durch mehrere Lungenfachärzte geprüft.
Ist das Verfahren möglicherweise auch für eine akustische Analyse des Schnarchens geeignet?
Die Frage ist leicht zu beantworten. Mit diesem Verfahren sind wir natürlich auch in der Lage Schnarchen, Apnoen oder gar Schlucken zu detektieren. Ich behaupte einmal, dass wir zukünftig sogar totale von partiellen Pharynxobstruktionen akustisch unterscheiden können.
Chronischer Reizhusten ist ein häufiges Symptom. Es besteht die Schwierigkeit, dass die Anzahl der tatsächlichen Hustenattacken nicht objektiv gemessen werden kann. Könnte das neue Gerät dort weiterhelfen?
Kinder im Vorschulalter werden oft wegen eines anhaltenden Reizhustens beim Arzt vorstellig. Der Husten kann tagsüber, nachts und nach körperlicher Belastung auftreten, Kurzatmigkeit oder Wheezing werden nicht zwangsläufig beschrieben. Besonders in den frühen Morgenstunden, zwischen vier und sechs Uhr, sind Tonus und Empfindlichkeit der Atemwege beim Asthmatiker deutlich übersteigert. Die Erfassung von Husten stellt bei vielen Lungenerkrankungen erwartungsgemäß ein grosses Problem dar. Hier bietet LEOSound erstmals die Möglichkeit einer objektiven Erfassung, beispielsweise auch unter antiobstruktiver oder antitussiver Therapie. Nach heutigen Kriterien wird chronisch persistierender Husten (CPH) als solcher definiert, wenn er über mindestens 8 Wochen anhält und seine Ursache nicht durch Anamnese, körperliche Untersuchung, Lungenfunktion und Röntgenaufnahme des Thorax erklärbar ist. Abgesehen von der chronischen Bronchitis findet sich ein chronisch persistierender (nächtlicher) Husten häufig bei Patienten mit einem Asthma bronchiale und cardiale, einer gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) oder chronischen Erkrankungen von Nase und Nasennebenhöhlen (Postnasal-drip Syndrom).
Können auch Fragestellungen im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Refluxerkrankung und respiratorischen Symptomen beantwortet werden?
Diese Frage ist spannend. Die akustische Langzeitregistrierung in Kombination mit einer ph-Metrie erlaubt erstmalig den Nachweis einer zeitlichen Kopplung zwischen Refluxepisoden und bronchialer Obstruktion. Die Kausalität zwischen gastroösophagealem Reflux und respiratorischen Symptomen wie Husten, Luftnot und Wheezing ist nach evidenzbasierten Kriterien bislang nicht bewiesen.
Welche Bedeutung hat das Verfahren für die Kinderheilkunde?
Die Aufnahme von Kindern in die Klinik wegen eines Asthma bronchiale ist um das 5-fache gegenüber Erwachsenen erhöht. Dieser Sachverhalt verwundert nicht, da die Atemwege im Kindesalter noch enger und im Wachstum befindlich sind. Die Diagnostik eines Asthma bronchiale erweist sich im Vorschulalter als besonders schwierig, da Lungenfunktionsuntersuchungen bei Kindern unter fünf Jahren nur begrenzt durchführbar sind. Hier bietet der LEOSound einen diagnostischen Lückenschluss. Mithilfe des neuen Verfahrens kann nach Symptomen wie Husten und Giemen „gefahndet“ werden. Sowohl die Kinder selbst als auch deren Eltern konnten dem behandelnden Arzt bislang ausschliesslich subjektive Angaben über den Tagesablauf der Symptome Husten und Pfeifen (Wheezing) liefern. Die Schlafphase, elementar wichtig für die Leistungsfähigkeit am Tage, blieb unberücksichtigt. Anhand von Interviews, bei denen Eltern hinsichtlich der Beurteilung von wheezing befragt wurden, fanden sich häufige Fehleinschätzungen. Das vom Patienten oder den Angehörigen nach „außen“ hörbare Pfeifgeräusch, dürfte vermutlich nur die „Spitze des Eisbergs“ darstellen.
Führen die bei asthmatischen Kindern im Schlaf auftretenden Symptome Husten und Wheezing auch zu einer eingeschränkten Schlafqualität?
Das ist eine sehr gute und wichtige Frage. Von vielen Asthmapatienten ist bekannt, dass es im Schlaf, vor allem in den frühen Morgenstunden, zu einer Verschlechterung der asthmatischen Symptome im Sinne eines „nächtlichen Asthmas“ kommt. Asthmatische Kinder mit nächtlichem Asthma bronchiale leiden häufig unter Störungen der Schlafqualität und entsprechenden Auswirkungen auf die Tagesbefindlichkeit. Schulische Leistungen werden negativ beeinflusst. Bedingt durch Luftnot, Wheezing und/oder Husten kann es zu intermittierendem Erwachen sowie Durchschlafstörungen kommen.
Ist das neue Verfahren belastend oder gar mit Gefahren verbunden?
Nein, da gibt es keine Bedenken. Allenfalls muss man bei sehr kleinen Kindern wegen der Messkabel aufpassen und diese am Körper fixieren.